»Beim literarischen Lesen brauche ich vollkommene Ruhe«

Reihe »auxlese« • Dr. Klaus Metzger, Landrat, promovierter Germanist, Literatur-Liebhaber und einstiger Grundschullehrer zu Gast bei auxliteras Literarischem Questionnaire »auxlese«.


AUXLESE: das literarische Questionnaire

#03: mit Dr. KLAUS METZGER
– Landrat des Landkreises Aichach-Friedberg • promovierter Germanist –

Kurzvita:
• Abitur, Wehrdienst, Lehramtsstudium an der Universität Augsburg
• 1997 bis 2004 wissenschaftlicher Mitarbeiter, dann wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Didaktik der Deutschen Sprache und Literatur an der Universität Augsburg; Promotion
• 2004 Seminarrektor
• 2006 Referent und Seminarbeauftragter an der Regierung von Schwaben
• 2011 Schulamtsdirektor, fachliche Leitung des Staatlichen Schulamts im Landkreis Aichach-Friedberg
• Seit 2014 Landrat des Landkreises Aichach-Friedberg

Bibliografie (Didaktische Veröffentlichungen/Monografien und Herausgeberschaften): siehe Infobox im Anschluss dieses Fragebogens

www.klausmetzger.de


Herr Metzger, welche Autorin oder welchen Autor würden Sie gerne einmal persönlich kennenlernen? Und wenn Sie ihn/sie zu sich zum Dinner einladen, was würden Sie ihm/ihr kochen?
Thomas Pynchon – wer würde ihn nicht gerne kennenlernen? Und weil kluge Köpfe einfaches Essen brauchen: Salat, Pasta mit Arrabbiata-Pesto und einen guten Amarone.

Was ist das kostbarste oder teuerste Buch, das Sie besitzen?
Kostbar und teuer sind nicht deckungsgleich. Die weiland teuersten Bücher waren wohl die sechs Bände Brockhaus – Kunst und Kultur mit Goldschnitt. Und sie sind inzwischen auch kostbar, weil im Wikipedia-/AI-Zeitalter für viele völlig anachronistisch.

Welches Buch lesen Sie zur Zeit?
Gerade durch, den nächsten Band der Trilogie gespannt erwartend: »Crossroads« von Jonathan Franzen; immer griffbereit liegt momentan »Banksy Provocation«, von Xavier Tapies.

Dürfen wir Sie nach einem Foto von Ihrem Bücherschrank fragen?
»Den« Bücherschrank gibt es nicht, die Bücher sind auf drei Ebenen auf viele Regale verteilt, ein Ausschnitt mag genügen:

– Fotos: Klaus Metzger

Welches Buch ist vollkommen zerfleddert, kaputt und längst in neuer Auflage erhältlich und Sie werfen es trotzdem nicht weg?
Das dürften wohl die hier (Hochkant-Bild links) sein …

Haben Sie einen Lieblingsverlag oder gibt es einen Verlag, von dem Sie denken, dass er ein bemerkenswertes Portfolio hat?
Für den Alltag: dtv, Diogenes und Reclam.

Welche Literaturveranstaltung, der Sie beiwohnten, war bisher die denkwürdigste, seltsamste oder eindrücklichste?
Unspektakulär: Tatsächlich eine Bilderbuchlesung für Studierende von Rudolf Herfurtner und Reinhard Michl; beide bestens gelaunt, transportierten sie an einfachen Exempla eindrücklich, was writing is rewriting bedeutet. (Ich liebe Bilderbücher für Kinder, das muss ausdrücklich gesagt sein.)

Bei welchem Buch ist es Ihnen etwas peinlich, es gelesen und für gut befunden zu haben?
Da gibt es einige SciFi-Bände aus der späten Jugend, entliehen aus der Stadtbücherei, die wohl eher nicht zu den Klassikern des Genres zählen.

Welche/n Nicht-Literaten/in aus Ihrer Region würden Sie gerne einmal als Gesprächsteilnehmer beim Literarischen Quartett oder als Jury-Mitglied des Bachmann-Preises sehen?
Hoffend, ihm nicht unrecht zu tun, so er doch Prosa verfasst haben sollte: den belesenen Dr. Berndt Herrmann*. Gerne auch den klugen Jakob Steinberger vom Literaturkreis des Kunstvereins Aichach.
[* Redakteur bei der Aichacher Zeitung – Anm. der Red.]

Mit welcher Autorin, welchem Autor möchten Sie auf keinen Fall im Aufzug stecken bleiben?
Egal, denn ich möchte gar nicht im Aufzug stecken bleiben.

Welches Buch besitzen Sie mehrmals?
»Lenz« von Georg BüchnerReclam, dtv, Suhrkamp.

Von welchem Autor haben Sie die meisten Bücher im Regal?
Da liegt wohl der gute Goethe weit vorne.

Gibt es Werke, die Sie in Fremdsprache gelesen haben?
Nach Sallust, Cicero usw. in der Schulzeit zuletzt »Renegades« von Barack Obama und Bruce Springsteen – als Fan.

Wo, wann, wie oft und wie lesen Sie? Haben Sie eine bestimmte Eigenart beim Lesen?
Jedes Buch verdient es pfleglich behandelt zu werden. Beim literarischen Lesen brauche ich vollkommene Ruhe, der Ort ist egal, Rituale habe ich keine.

Welches Buch sollte jeder gelesen haben?
Die Bibel.


Foto: Theresa Wörle / LRA Aichach-Friedberg

LANDRAT – UND GERMANIST & BÜCHERFREUND

► Was kann man als Landrat konkret für die Literatur in der Region tun?

Allzu wenig; mein »Kulturfonds« ist leider nicht sehr üppig ausgestattet – bleibt oft nur die ideelle Unterstützung.

► Was unterscheidet einen Landrat, der Germanistik studiert hat, von anderen Landräten? Was sind die (vielleicht unterschätzten) Vorteile?

Ob die Unterschiede gravierend sind, mögen andere beurteilen. Jedenfalls evoziert Berufs-/Leseerfahrung, kombiniert mit dem Fakt, erst spät »in die Politik« eingestiegen zu sein, bei mir puren Pragmatismus.

Juckt es Ihnen eigentlich als Germanist und Bücherfreund in den Fingern, einmal selbst einen Roman zu schreiben? Was würde Sie da locken? Oder später einmal eine Autobiografie?

Trotzdem ich gerne schreibe: Für einen Roman reicht mein Talent nicht. Splitter einer Autobiographie – es gab doch einiges zu erleben auf den vielen Stationen – wende ich hin und wieder im Kopf, auch die Tektonik wäre mir halbwegs klar. Material gäbe es genug, allein seit meinem Amtsantritt als Landrat führe ich eine tägliche Chronik, inzwischen mehrere tausend Seiten. Aber mal sehen.


Mein Lieblingsgedicht:
»Schlußstück« von Rainer Maria Rilke (1901)
► Text siehe weiter unten

Welche literarische Figur würden Sie gerne heiraten?
Die Frage habe ich mir noch nicht gestellt; habe ich beim Lesen etwas falsch gemacht?

Bei welchem Krimi-Autor (oder welchem Ermittler in der Krimi-Literatur) wären Sie gerne das fiktive Mordopfer?
Bei Raymond Thornton Chandlers Philip Marlowe.

Welche literarische Verfilmung / Vertonung / Bühneninszenierung / literarisch-musikalische Begegnung halten Sie für gelungen und hat Sie begeistert?
Ganz populär: »Der Malteser Falke« von Dashiell Hammett mit Humphrey Bogart oder »The Right Stuff« von Tom Wolfe mit dem großartigen Sam Shepard.

Mit Ihrer Begeisterung für welche Autorin, welchen Autor fühlen Sie sich alleine?
Emmanuel Carrère, aber das mag täuschen.

Welchen Autor werden Sie wohl nie verstehen?
Puh, Marcel Proust?

Welches Buch haben Sie immer wieder abgebrochen, es sich aber fest vorgenommen, es endlich ganz zu lesen?
Tja, mutmaßlich bin ich da nicht alleine, aber gibt es noch jemand ehrlicherweise zu? »Ulysses« von James Joyce; der muss bis zu Ruhestand warten.

Welchen Klassiker lieben Sie?


Gibt es ein Gedicht, ein literarisches Zitat oder eine literarische Szene, welche(s) Sie auswendig können und Ihnen im Alltag immer wieder mal durch den Kopf geht?
Schlußstück von Rainer Maria Rilke (1901)

Schlußstück

Der Tod ist groß.
Wir sind die Seinen
lachenden Munds.
Wenn wir uns mitten im Leben meinen,
wagt er zu weinen
mitten in uns.

– Rainer Maria Rilke [1905] • Aus Buch der Bilder

DER SCHNELL-CHECK mit Dr. Klaus Metzger:

Marcel Reich-Ranicki, Thea Dorn oder Denis Scheck?
Marcel Reich-Ranicki.

Goethe, Schiller oder Hölderlin?Schiller.

Bert Brecht, Ludwig Thoma oder Ludwig Steub?
– Bert Brecht (als Lyriker)

Comic oder Graphic Novel?
– Comic

Buch, E-Reader oder Hörbuch? Buch 😊


Bei welcher Malerin oder Musikerin, welchem Maler oder Musiker hätten Sie es spannend gefunden, wenn er/sie Schriftsteller(in) geworden wäre?
Mark Rothko oder Cy Twombly.

Welchen Autor, welche Autorin aus Augsburg und Region schätzen Sie?
Im Gestern: Bert Brecht, im Heute: Sebastian Seidel.

Welche Person aus Ihrer Region, der/die kein Schriftsteller ist, sollte einmal ein Buch oder einen Gedichtband schreiben? Wie sollte der Titel des Werks sein?
»Keep it simple and short« wäre ein Titel, an dem sich so manche/r abmühen könnte.

Was würden Sie Bert Brecht fragen, wenn er heute an Ihrer Haustüre klingelt?
Warum seine Lyrik so deutlich besser ist als seine Prosa.

Was vermissen Sie im Wittelsbacher Land als Literatur- und Buchfreund?
Ich bin’s zufrieden und empfinde keinen Mangel, denn nicht wirft mich so sehr auf das eigene Ich/Selbst/Sein zurück wie Lesen/Literatur, die Vereinzelung ist vollkommen.

Als für die Literatur / Buchkultur bedeutendste Stätte im Landkreis Aichach-Friedberger betrachte ich …
… eigentlich den Köglturm in Aichach, momentan aber das Stadtmuseum Aichach.

Und das ist meine Definition von Literatur:
»Den Stoff sieht jedermann vor sich, den Gehalt findet nur der, der etwas dazu zu tun hat, und die Form ist ein Geheimnis den meisten.« (Goethe, »Maximen und Reflektionen«)

Fragen & Konzeption: Martin Schmidt | auxlitera

WEITERLESEN ► Die bisherigen Gäste bei auxlese:

BrechBot, als Bertolt Brecht zu Gast in Form der künstlichen Intelligenz GPT-3
Michael Lichtwarck-Aschoff, Träger des Schwäbischen Literaturpreises – 3. Preis 2022
Matthias Ferber, Augsburger-Kunstförderpreis-Juror in der Sparte Literatur, Autor und Herausgeber

WEITERLESEN Gäste in unserer Fragebogen-Reihe Speak & Spell – Über Sprache, Sprechen, Worte:

Takuro Okada, Vermittler japanischer Kultur und Cellist
Julian Warner, künstlerischer Leiter des Brechtfestivals 2023|24|25
Dr. Andreas Mäckler, Biograf, Gründer des Biographiezentrums, Kursleiter für biografisches Schreiben
Dr. Gregor Gysi, Politiker, Autor, Jurist
Dr. Yasemin Uçan, Trägerin des Augsburger Wissenschaftspreises für interkulturelle Studien 2022


📚 • DR. KLAUS METZGER | BIBLIOGRAFIE:

👨‍🏫 📖 Dikatische Publikationen | Monografien:
Handlungsorientierter Umgang mit Medien im Deutschunterricht. Didaktische Voraussetzungen, Modelle und Projekte. Berlin: Cornelsen Scriptor 2001 (Lehrer-Bücherei: Grundschule)
Medien – Medieneinsatz – Verfilmen. Überblick, empirische Erhebungen, exemplarische
Dokumentation und Interpretation.
Augsburg: OPUS 2004 (OnlinePublicationService)
(Dissertation)
Hörspiele in der Grundschule. Voraussetzungen – Modelle – Ergebnisse. Augsburg: Brigg 2008 (zusammen mit Werner Beer und Werner Simon)
45 Unterrichtsideen Deutsch. Kompetenzen individuell entwickeln. Berlin: Cornelsen
Scriptor
2010 (Lehrerbücherei Grundschule: Ideenwerkstatt)
Für das Schreiben begeistern. Kompetenzorientierte Schreibaufgaben. Texte vorbereiten,
schreiben und überarbeiten.
Berlin: Cornelsen Scriptor 2010 (Lehrerbücherei Grundschule: Kopiervorlagen)
»Kopfzerbrecher« – Sprachkompetenz entwickeln. Berlin: Cornelsen Scriptor 2012
(Lehrerbücherei Grundschule: Kopiervorlagen)
Gute Aufgaben für den Wochenplan. Deutsch 1/2: Schreiben. Berlin: Cornelsen Scriptor
2013.

📰 Als Herausgeber / Mitherausgeber:
Lehrerbücherei Grundschule (Cornelsen Scriptor, Berlin; bis 2015),
• Reihe Didaktik für die Grundschule (Cornelsen Scriptor, Berlin; bis 2015),
Gute Aufgaben für den Wochenplan (Cornelsen Scriptor, Berlin; bis 2015)
• Mitherausgeber des Grundschulmagazins (Oldenbourg Verlag, München; jetzt Friedrich Verlag)

Komplettes Publikationsverzeichnis [pdf-Download klausmetzger.de]


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