Ein antisemitischer Vorfall aus der schwäbischen Provinz

Der Doku-Band »Feibelmann muss weg« begleitet die gleichnamige Ausstellung in der Ehemaligen Synagoge Kriegshaber. Sechs Autoren/-innen setzen sich mit dem Fall auseinander. Herausgeber des Buches sind das Jüdische Museum Augsburg Schwaben sowie die Stadt Memmingen mit dem dortigen Stadtmuseum.

Jakob Feibelmann mit seiner Frau Irma und seiner Tochter Marie, Memmingen 1934.

Es ist die erhaltene Drohpost – über 60 Postkarten und Briefe – die bis heute vom antisemitischen Hass kündet, die der Memminger Kaufmann Jakob Feibelmann in den 1930er-Jahren erleiden musste. Seine Geschichte hat weit mehr als nur lokale Bedeutung. Sein Fall führt beispielhaft vor Augen, welche Dynamik die Drangsalierung und Einschüchterung von Jüdinnen und Juden nach der NS-Machtübernahme in Deutschland entwickeln konnte.

Jakob Feibelmann fand Unmengen dieser anonymer Droh- und Schmähschriften in seinem Briefkasten, die ihn zur Emigration drängten. Anfangs wollte er bleiben – doch 1934 gab er dem Druck nach und floh. In Palästina gelang es dem Kaufmann nicht wirklich, Fuß zu fassen. Im Unterschied zu vielen anderen Betroffenen des aggressiven, staatsgetragenen Antisemitismus der NS-Zeit konnte er aber die an ihn geschickte Drohpost als Beweismittel sichern.

Sechs Autor/innen im Sachbuch-Katalog zur Ausstellung

Diese einzigartige Sammlung gab den Anlass für die Wanderausstellung Feibelmann muss weg. Nachdem diese noch in den Januar hinein im Stadtmuseum Memmingen gastierte, kommt sie nun nach Augsburg, wo sie ab Dienstag, 14. März, in der Ehemaligen Synagoge in Kriegshaber zu sehen sein wird.

Die Stationen der Wanderausstellung illustrieren die Kooperation: Herausgeber des die Ausstellung begleitend Buches, erschienen bei Hentrich & Hentrich – Der Verlag für jüdische Kultur und Zeitgeschichte, sind das Jüdische Museum Augsburg Schwaben und eben das Stadtmuseum Memmingen und die Stadt Memmingen selbst.

Hentrich & Hentrich

Paul Hoser, Vincent Hoyer, Michael Ilg, Carl-Eric Linsler, Monika Müller und Monika Schwarz-Friesel setzen sich in ihren Beiträgen mit verschiedenen Aspekten des Falls auseinander und den Fragen, die er an unsere Gegenwart stellt. Themen sind • der Nationalsozialismus in Memmingen, • die Person Feibelmanns, • die Entdeckung und der Inhalt der Drohschreiben, • deren Verbindung zum Hetzblatt Der Stürmer sowie • aktuelle Formen des Antisemitismus im Netz. [msc / pm]


»Alle diese Verfolgungen nahmen mir die Kraft, mein Geschäft weiter zu betreiben
und ich war gezwungen, meine Existenz aufzugeben und Deutschland zu verlassen.«

– Jakob Feibelmann, 1954


»FEIBELMANN MUSS WEG« – DIE AUSSTELLUNG

Die gleichnamige Wanderausstellung des Jüdischen Museums Augsburg Schwaben ist bis 3. September 2023 in der Ehemaligen Synagoge Kriegshaber zu sehen. Die Ausstellung setzt sich anhand von 22 Reproduktionen erhaltener Briefe und Postkarten mit den Anfängen der nationalsozialistischen Judenverfolgung auf lokaler Ebene auseinander. Dabei verschränkt sie Täter- und Opfergeschichte und fragt sowohl nach den Urheber/innen der Hassbotschaften und möglichen Mitwisser/innen wie auch nach den Konsequenzen für Jakob Feibelmann.

Ehemalige Synagoge Kriegshaber, Ulmer Straße 228, 86156 Augsburg
Öffnungszeiten Do – So: 14.00 – 18.00 Uhr, Sonderöffnung am 14. & 15. März von 14 – 18 Uhr

RAHMENPROGRAMM

Im Rahmenprogramm zur Ausstellung finden eine Lesung und ein literarischer Workshop statt. In Zusammenarbeit mit den Internationalen Wochen gegen Rassismus liest Peter Grandl (Turmgold, Dienstag, 28. März) im Jüdischen Museum Augsburg Schwaben. Am Sonntag, 23. April (11 – 15 Uhr) findet in im Textil- und Industriemuseum (tim) der Workshop Appropriating Hate. Poesie als transformatorisches Tool statt.


Jüdisches Museum Augsburg Schwaben, Stadtmuseum Memmingen und Stadt Memmingen (Hrsg.): Feibelmann muss weg. Ein antisemitischer Vorfall aus der schwäbischen Provinz
Broschur, 104 Seiten, 116 Abbildungen
Hentrich & Hentrich – Der Verlag für jüdische Kultur und Zeitgeschichte, 2022
Format: 23,8 cm x 16,8 cm
ISBN: 9783955655563
– Erscheinungstermin: November 2022


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