Von der vermeintlichen Schwierigkeit, Verรคnderungen zu vereinfachen

รœber das ยปAfrika-Bild im deutschen Kinderbuchยซ und die tatsรคchliche Prรคsenz Schwarzer Kinder- und Jugendbuch-Autor*innen. Die afrikanische Kinderbรผcherei des Augsburger Vereins African Spirit fรผhrt schlichtweg Kinderbรผcher aus der Feder afrikanisch-stรคmmiger Kinderbuchautor*innen. โ€“ Ein Gastbeitrag von ๐Ÿง‘ Michael Tonfeld

Seit einigen Jahren rรผckt das ยปAfrika-Bild im deutschen Kinderbuchยซzunehmend in den Fokus รถffentlicher Kritik, wobei das Hauptaugenmerk auf Bรผchern von Autor*innen der sog. I. Welt gerichtet ist. Sprache, postkoloniale Aspekte und respektive die Darstellung Schwarzer Menschen stehen dabei im Mittelpunkt. Zig Artikel und Sachbรผcher widmen sich der Aufarbeitung einer Auseinandersetzung, die mitunter obskure Zรผge annimmt.

So vermisste ich vor einigen Jahren bei der Preisverleihung auf der Bonner Buchmesse Migration als Juror einen favorisierten Text, woraufhin ich einen Mitjuror befragte, der sich sofort an den Beitrag erinnerte. Weiteres Nachbohren ergab, die Texterfasser*innen hatten den โ€“ wohlgemerkt zur Preisvergabe vorgesehenen โ€“ Beitrag schlichtweg entfernt, da sie Passagen fรผr diskriminierend hielten, somit diese Kurzgeschichte unverรถffentlicht blieb – sic!

Der Bonner Bewerb richtet sich primรคr an migrantische Nachwuchsschriftsteller*innen; die Beitrรคge mรผssen anonymisiert eingereicht werden. Fazit: Deutsche entscheiden, inwieweit literarische Texte auslรคndischer Mitbรผrger*innen als desavouierend bis auslรคnderfeindlich einzustufen sind, รผben folglich Zensur aus? Bei einem Vortrag zum Thema ยปAfrika-Bildยซ gleichorts nahmen gut ein Dutzend weiรŸer Deutscher teil, referierte eine junge Erzieherin mit persischen Wurzeln…



ยป Ja, es macht Sinn, Bรผchereibestรคnde nach solchen Bรผchern zu durchforsten, die tatsรคchlich rassistische Aussagen transportieren, derartige Machwerke der ร–ffentlichkeit vorzuenthalten. Dies รคndert jedoch nichts an der Situation in Deutschland lebender Urheber*innen mit afrikanischen, karibischen und afro-sรผdamerikanischen Migrationswurzeln, insofern sie sich im Bereich Kinder- und Jugendbuch hierzulande zu etablieren versuchen.โ€œ

โ€“ Michael Tonfeld

Als PoLiKunst (Franco Biondi, Carmine Abate Chiellino, Sinasi Dikmen, Jusuf Nauom, Josรฉ Oliver, Miltiades Papanagnou, Yรผksel Pazarkaya, Fethi & ร–zgรผr Savasci, Zafer Senocak, Suleiman Taufiq, Alev Teckinay, Eleni Torossi u. v. a.) sich Ende der 70er Jahre anschickte, den deutschen Literaturbetrieb zu bereichern, insbesondere mittels theoretischer Schriften von Schami und Torossi migrantischen Autor*innen den Weg zum Kinder- und Jugendbuchmarkt ebneten, war der Ausgangspunkt ebenfalls Kritik, welche sich daran entzรผndete, migrantische Kultur aus deutscher Sicht auf Folklore (Volksmusik und -tanz) zu reduzieren. Der Schlรผssel der Erfolgsgeschichte beruhte zweifelsohne auf dem eigenen Engagement, da deutsche Literaten zu dem Zeitpunkt die Existenz migrantischer Autor*innen deutscher Zunge leugneten.

Schiefer Blickwinkel

Ohne Empowerment wird sich die Prรคsenz schwarzer Kinder- und Jugendbuchautor*innen nicht รคndern, wird der schiefe Blickwinkel kaum zu relativieren sein. Ja, es macht Sinn, Bรผchereibestรคnde nach solchen Bรผchern zu durchforsten, die tatsรคchlich rassistische Aussagen transportieren, derartige Machwerke der ร–ffentlichkeit vorzuenthalten. Dies รคndert jedoch nichts an der Situation in Deutschland lebender Urheber*innen mit afrikanischen, karibischen und afro-sรผdamerikanischen Migrationswurzeln, insofern sie sich im Bereich Kinder- und Jugendbuch hierzulande zu etablieren versuchen.


๐Ÿ‘๏ธ BILDERGALERIE:

Beispiel von Sichtbarmachung und Empowerment afrikanischer Autor/-innen: der Leseraum des โ–บ Afrika Medien Zentrums (AMZ) e.V. in Berlin.

Das AMZ begleitet mit seinen Mitarbeitern/-innen die Aktivitรคten zu Afrika in Deutschland in den Feldern Kultur, Gesellschaft, Wirtschaft und Politik. Der Verein setzt dabei einen besonderen Fokus auf interkulturellen Austausch und Informationsvermittlung. Ziel: Verbesserung des Afrika-Bildes in der deutschen ร–ffentlichkeit sowie die Sichtbarmachung afrikanischer Akteur*innen und dem verstรคrkten Austausch dieser mit der deutschen Mehrheitsbevรถlkerung. Einen kurzen Einblick in den Bรผcherbestand erhรคlt man auch รผber die โ–บ Facebook-Seite des AMZ. Dort stellt die Bรผcherei in unregelmรครŸigen Abstรคnden auch โ–บ Schรคtze aus dem Bestand vor.

โ€ข ๐Ÿญ Afrika Medien Zentrum | GroรŸkopfstraรŸe 6-7 | 13403 Berlin
โ–บ www.amz-berlin.de

โ€“ Fotos: Mit freundlicher Genehmigung des AMZ Berlin


Oftmals begegne ich in KiTas oder in Lehrerzimmern zwischen den Auftritten einzelnen Erzieherinnen und Pรคdagoginnen, die sich inmitten einer weiรŸen Runde รคuรŸerst bedeckt halten, als ginge sie Afrika nichts an. Ein probates Mittel, erst einmal Zugang zum intendierten Auditorium, nรคmlich PoC-Kindern und -Jugendlichen, herzustellen, bรถten lokale Arbeitskreise Schwarzer Erzieher*innen und Pรคdagog*innen. Als Anfang bis Mitte der 90er Jahre INTERLIT in Erlangen stattfand, konnten die Organisatoren auf einen AK Deutschlehrer (erweitert durch Anglisten und Romanisten) zurรผckgreifen, wodurch neben der literarisch interessierten ร–ffentlichkeit vor allem Schรผler*innen eine Begegnung mit den Gastautor*innen ermรถglicht werden konnte.

Auf Oralliteratur aller Schattierungen setzen

Was den hiesigen Nachwuchs angeht, halte ich es fรผr unabdingbar, auf tradierte Werte zu setzen: Oralliteratur aller Schattierungen. Seit den covid-19-bedingten temporรคren SchulschlieรŸungen haben Social-Media-Prรคsenz, TV- und Smartphone-Konsum eine noch grรถรŸere Rolle im Leben der Kinder und Jugendlichen eingenommen, wodurch sich die Lage der Migrantenkinder umso mehr in Richtung Ausgrenzung bewegt, die sehr oft von den betroffenen Kids als Rรผckzug aus der Gesellschaft gewรคhlt wird.

Dieses Verhalten aufzubrechen bedarf gesonderter Anstrengungen wie dem mรผndlichen Vortrag (statt des Vorlesens!), um zum eigenen Erzรคhlen (statt des Nacherzรคhlens irgendwelcher NetflixCartoons oder aberwitziger Internetsequenzen) zu motivieren. Ein nachfolgendes Aufschreiben der eigenen mรผndlichen Erzรคhlung fรผhrt mitunter bei Kindern unterprivilegierter Schichten โ€“ wozu mittlerweile in manchen Regionen Deutschlands genรผgend Kinder der Mehrheitsgesellschaft zรคhlen(!) โ€“ zum eigenstรคndigen Lesen.

Wie kรถnnen Bรผchereien verรคndert werden?

Wie jedoch kรถnnen Bรผchereien verรคndert werden? Einen ersten Schritt stellen jene afrikanischen Bรผchereien bzw. Kinderbรผchereien dar, die zuerst Nรผrnberg, dann in Berlin, spรคter in Hamburg und Wien, jรผngst in Kรถln (Theodor-Wanja-Michael-Bibliothek) aus den Reihen der African Community vor Ort privat oder als Verein gegrรผndet wurden. Bemerkenswerterweise letzere, da Kรถln mit ยปStimmen Afrikasยซ im Allerweltshaus in Ehrenfeld lรคngst eine renommierte Einrichtung zur Prรคsentation afrikanischer Autor*innen aufweist. Dennoch nahmen Kรถlner Afrikaner*innen ihre Sache selbst in die Hand.

Und die kleine mobile afrikanische Kinderbรผcherei von African Spirit e. V. im Grandhotel Cosmopolis in Augsburg verdeutlicht, wie einfach sich ein unbedenklicher Bestand gestalten lรคsst: Es werden schlichtweg Kinderbรผcher aus der Feder afrikanisch-stรคmmiger Kinderbuchautor*innen angeschafft! โ€“ โœ๏ธ Ein Gastbeitrag von ยฉ Michael Tonfeld.

โ–บ Michael Tonfeld ist als Erzรคhler am Samstag, 27. Mai, zusammen mit der Kinderbuchautorin Heidemarie Brosche im Grandhotel Augsburg bei der Afrikanischen Kinderbรผcherei zu Gast. [mehr]

Foto: Jalscha Rรถmer

MICHAEL TONFELD

Geboren am 1950 am Niederrhein, lebt in Duisburg und Augsburg; zeitweilig auch in Accra (Ghana). Diverse Stipendien und Preise. Tonfeld ist nicht nur Autor von รผber 90 Anthologiebeitrรคgen und 19 Bรผchern, sondern auch von Kulturberichten in Ghana Today (London); Uhuru Magazine (Accra) und afrikanischen Magazinen in Deutschland und Fachzeitschriften wie filmwรคrts. Dazu kommen Hรถrfunkarbeiten. Zuletzt verรถffentlichte er zahlreiche Kinderbรผcher. Mit Auf Leben und Tod โ€“ der Erzรคhlung von und mit der Riesenachatschnecke Wa bibio โ€“ hatte er bereits รผber 2.000 Auftritte. Der Autor gab u. a. zusammen mit Franco Biondi und Jusuf Nauom die Anthologie Sehnsucht im Koffer 1981 (Fischer Taschenbuch Verlag, 1981) heraus. | Kontakt: โ–บ E-Mail

SPENDENKONTO African Spirit Augsburg

African Spirit Augsburg e.V
Stadtsparkasse Augsburg
IBAN: DE17 7205 0000 0251 7558 15
BIC: AUGSDE77XXX 

โ–บ facebook.com/AfricanSpiritAugsburg


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