Leben verweben in Addis Abeba

👁️ 2 Bildergalerien | Buchtipp vom Karl Borromäus Murr, Direktor des tim Augsburg: Das Textilmuseum veröffentlicht »Responsive Design Ethopia. Weaving in Architecture, Fashion, Design.«

Das Staatliche Textil- und Industriemuseums Augsburg (tim), die Münchner Architektin Nicola Borgmann und die Kostümdesignerin Juliane Kahl haben das Projekt Responsive Design Ethiopia ins Leben gerufen und es nun in dem gleichnamigen, zweisprachig erschienen Buch in Text und Bild dokumentiert. Vorausgegangen war zudem eine gleichnamige Ausstellung 2019 im tim. Die Herausgeber-/innen beschäftigten sich mit der Frage, wie textile Anwendungsformen in Architektur, Mode und Design gestaltet sein müssen, um die Bedürfnisse der Nutzer vor Ort am besten zu erfüllen und deren Leben nachhaltig zu verbessern. Das Buch wurde vom tim im Selbstverlag veröffentlicht und ist im Museumshop oder unter kasse@timbayern.de erhältlich (Preis: 24.90 Euro).

Ein Hintergrund dafür, Äthiopien im Koordinatennetz von Textil, Mode und Design zu untersuchen: Auf Asien folgt Afrika – die globalisierte Textilindustrie, stets auf der Suche nach den weltweit für sie günstigsten Produktionsbedingungen, hat längst den afrikanischen Kontinent als neuen idealen Standort für die Herstellung von Mode im Visier. Die neue, industriell hergestellte Massenware für den globalen Markt droht dabei, die lokal vorhandene Kultur des Webens in vielen Regionen Afrikas zu zerstören. Responsive Design Ethiopia lenkt deswegen den Blick auf Äthiopien.

👁️ Galerie No. 1

In der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba haben Borgmann und Kahl gemeinsam in Workshops mit einheimischen und internationalen Designern, Architekten, Modedesignern und Studierenden die Kultur und Technik des Webens untersucht. Das Ziel war, das vor Ort praktizierte Weben in unterschiedlichen Disziplinen zu neuen Anwendungen und Gestaltungsformen zu überführen. Dabei ging es vor allem darum, junge Kreativität zu fördern sowie innovative Technologien und einen internationalen Austausch langfristig zu etablieren. Außerdem soll die regionale Szene der Weber und
Designer gestärkt und der Aufbau eines selbständigen Unternehmertums unterstützt werden.

Das neue Buch zeigt spannende, überraschende und anregende Design-Ideen, die die Webtradition Äthiopiens zu neuer Wertschätzung führen, den internationalen Zusammenhalt stärken und zur kreativen Weiterentwicklung anregen.

👁️ Galerie No. 2


Interview mit Karl Borromäus Murr

– Direktor des Staatlichen Textil- und Industriemuseums Augsburg und Mitherausgeber von »Responsive Design Ethiopia« –

Herr Murr, in dem neuen Buch, das das tim veröffentlicht hat, geht’s um Responsive Design im Bereich des Webens. Was steckt hinter dem Begriff?

👤 Karl Borromäus Murr: Responsive Design kennen manche vielleicht aus dem Bereich der Gestaltung von Websiten, die sich an das Format des jeweiligen Endgeräts anpassen. In unserem Falle jedoch ging es darum, textile Designlösungen für Mode, Design und Architektur zu entwickeln, die auf die wirklichen Bedürfnisse von Menschen vor Ort beispielsweise in Afrika antworten. Mit Responsive Design Ethiopia haben wir gemeinsam mit vielen Projektpartnern in Addis Abeba zahlreiche spannende Projekte verwirklicht, die wir in dem Buch sehr anschaulich beschreiben.

Worum geht es bei den Projekten?

👤 Gemeinsam mit unseren Mitstreiterinnen Nicola Borgmann und Juliana Kahl haben wir die Kultur und Technik des Webens untersucht, beispielhaft in Äthiopien. Es zeigt neue Anwendungsformen in Mode, Design und Architektur. In einer internationalen Kooperation haben wir bedarfsorientierte, ansprechende und nachhaltige Produkte gestaltet und entworfen, die die bedrohte Tradition des Webens in Äthiopien zu neuer Wertschätzung führen.

Ein konkretes Beispiel aus der Hauptstadt Addis Abeba: Dort verdienen viele Jungen auf der Straße als Schuhputzer etwas Geld. Um sie vor der gleißenden Sonne besser zu schützen, haben wir zusammen mit Einheimischen und Designern ein mobiles, auffaltbares textiles Schutzdach entwickelt. Positiver Nebeneffekt: die Sicherheit der Kinder steigt, weil sie durch die leuchtende Farbe der Stoffbespannung im Straßenverkehr nun besser wahrgenommen werden.

Warum wurde gerade Äthiopien als Schauplatz ausgewählt?

👤 Die globalisierte Textilindustrie, stets auf der Suche nach den weltweit für sie günstigsten Produktionsbedingungen, hat für sich längst Afrika als neuen idealen Standort für die Herstellung von Fast-Fashion im Visier. Anders als diese textile Massenproduktion reagiert Responsive Design hingegen auf die gesellschaftliche Situation, auf lokale Bedürfnisse, auf Talente und Fertigkeiten der örtlichen Handwerker und die vorhandenen materiellen Ressourcen. Mit dieser Wertschätzung lokaler Traditionen stellt Responsive Design Ethiopia kein neutrales Unternehmen dar, sondern operierte mit einem klaren Ethos, nachhaltige Designlösungen zu entwickeln.

Welches ist ihr persönliches Lieblingsprojekt aus dem neuen Buch?

👤 Besonders berührt hat mich das Projekt für ein Kinderkrankenhaus. Da habe clevere Ideen viel Gutes bewirkt. In dem tristen Gebäude fehlte es am Nötigsten. Im Zuge des Responsive-Design-Projekts entstanden vor Ort hergestellte bunte Decken für die kleinen Patientinnen und Patienten; Farbe und bunte Motive an den Wänden machen die Krankenzimmer der Kinder nun zu einem fröhlicheren, besseren Aufenthaltsort.

Das Buch wurde vom tim im Selbstverlag veröffentlicht und ist im Museumshop oder unter kasse@timbayern.de erhältlich (Preis: 24.90 Euro).


Nicola Borgmann, Juliane Kahl, Karl Borromäus Murr:
RESPONSIVE DESIGN ETHIOPIA. Weaving in Architecture, Fashion, Design
.
192 Seiten
Selbstverlag Staatliches Textil- und Industriemuseum Augsburg (tim), 2022
Preis: 24,90 Euro • Erhältlich im Museumsshop oder unter kasse@timbayern.de


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