Zehn Tage erforschte Julian Warners erstes Brechtfestival die Methode Brecht. Das Brechtfestival 2024 findet vom 23. Februar bis 3. März 2024 statt und hat sich als Zentrum Oberhausen erkoren.
Was ist das Erbe des vor 125 Jahren in Augsburg geborenen Dichters Bertolt Brecht? Wie zeigt es sich? Wer lebt es? Ist es nützlich? Julian Warners erstes Brechtfestival erforschte dies zehn Tage lange intensiv und tauchte ein in Brecht’sche Welten – zum Beispiel auf dem Tanzboden eines Trachtenvereins, in der Sauna, im Wrestling-Ring, an einem Webstuhl oder unter einem Teppich.
»Brecht’s People« lautete das Motto – und sie waren da: Leute aller Art, viele davon wahrscheinlich zum ersten Mal beim Brechtfestival, fühlten sich angesprochen, schauten zu, machten mit und lernten sich kennen. Zum Beispiel im Saalbau Krone im Stadtteil Lechhausen. Das Vereinsheim des Oberbayrischen Volkstrachtenvereins war ein beliebter Fixpunkt, diente als Festivalzentrale, Mittagstisch und Veranstaltungsort. Ebenso der Saal der Alevitischen Gemeinde, in dem das Festival viele Abende zu Gast war.
»Das Brechtfestival hat durch die besondere Gastfreundschaft der Alevitischen Gemeinde und des Trachtenvereins im Saalbau Krone dieses Jahr eine neue Heimstatt bekommen«, so Jürgen K. Enninger, Kultur-, Sport- und Welterbereferent der Stadt Augsburg. »Auch dieser Gastfreundschaft ist es zu verdanken, dass das Brechtfestival die ganze Vielfalt kultureller Zugänge unserer Stadt abbildet.« Enningers ganz besonderer Danke gelte dem Festivalleiter Julian Warner, dessem Team und dem Brechtbüro der Stadt Augsburg, aber auch den unterschiedlichsten Initiativen, die sich mit so großer Begeisterung des Themas 125 Jahre Brecht angenommen haben. »Kultur ist der Puls einer Stadt. So kraftvoll und energetisch war er bisher selten zu spüren!«, so Jürgen K. Enninger.
Das durch Beiträge u.a. im ZDF, bei 3Sat, ARTE, Deutschlandfunk und der FAZ auch überregional wahrgenommene Programm umfasste 31 gut bis sehr gut besuchte Einzelveranstaltungen, an denen etwa 400 Künstlerinnen und Künstler beteiligt waren.
Unterschiedliche Standpunkte als zentrales künstlerisches Motiv
Das Ringen um unterschiedliche Standpunkte, das Aushalten der Widersprüche, war ein zentrales Motiv im Brechtfestival. »Zusammenleben in der Stadt heißt Aufeinandertreffen, verschiedene Interessen, heißt Reibung, heißt Konflikt! Und nur im Raum des Streits können die Ausgegrenzten gegen das Unrecht protestieren. Deshalb sagen wir: Her mit den scharfen Kanten! Her mit dem Gebell und dem Geheul! Her mit den rauen Oberflächen, der Wut, dem Widerspruch, dem Dissens und der Uneinigkeit!«, rief die Saalsprecherin Hanna Binder in der Wrestlingshow »Kampf um Augsburg« dem Publikum treffend zu.
Nicht nur künstlerisch, durch Diskurse, mit Tanz, Humor und partizipativen Projekten, sondern auch durch »kollektives Erinnern« wendete sich das Brechtfestival gesellschaftlichen Konfliktlinien zu: Der Abschluss am Sonntag, 19. Februar, war mit der Veranstaltung »Say Their Names« in der Brechtbühne des Staatstheaters dem Gedenken an die Opfer der rassistischen Morde in Hanau vor genau 3 Jahren an diesem Tag gewidmet.
„Wir haben gemeinsam gewebt, getanzt, gelauscht, diskutiert, musiziert, gekämpft, paradiert, reflektiert, geschwitzt, gelacht und geweint. Zehn Tage lang haben wir die Brecht‘sche Welt erforscht«, so der Künstlerische Leiter des Brechtfestivals, Julian Warner. »Und wir fanden die Zukunft des dialektischen Theaters nicht auf der Guckkastenbühne, sondern in selbstorganisierten Kulturräumen in Lechhausen. Der Anfang ist gemacht. Und mein Team und ich haben Lust auf mehr. Auf nach Augsburg-Oberhausen!«

»Langfristige Prozesse angestoßen«
Einige der im Festival angestoßenen Prozesse laufen bis 2025 weiter, also die gesamten drei Jahre, in denen Julian Warner die Künstlerische Festivalleitung inne hat. Zum Beispiel die »anwachsende« Ausstellung im Brechthaus »The History of Brecht’s People«. Auch das Demokratieexperiment der Organismenrepublik Augsburg hat gerade erst begonnen und läuft auch zwischen den Festivals weiter (Interessierte wenden sich an ► info@clubreal.de).
Das Hörfeature »Der Geist der Taverne« von Dorothea Schroeder und Thomas Kitsche über Lechhauser Kneipen ist ► online zugänglich und die Gastkünstlerin im Brechthaus, Anastasia Patlay, ist zehn Monate vor Ort und arbeitet u.a. an einer Produktion für das kommende Festival. ~[pm | auxlit]
► Das Brechtfestival 2024 findet vom 23. Februar bis 3. März statt.
WEITERLESEN:
► Der Künstlerische Leiter des Brechtfestivals, Julian Warner zu Gast bei der auxlitera-Serie Speak & Spell | subtext Sprache
► Bertolt Brecht als Künstliche Intelligenz (GPT-3) als Audio zu Gast im literarischen Questionnaire auxles
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