Um 100 Seiten erweitert portraitiert die Neuauflage des Buches »Das Haus der drei Sterne« die Geschichte des jüdischen Friedhofs an der Augsburger Hooverstraße. Autor Yehuda Shenef wirkte auch als Augsburger Übersetzer am jüngst erschienenen »Charkow-Tagebuch« der ukrainischen Autorin Olga Grebennik mit.
Mit Haus der drei Sterne (BoD) legt der Augsburger Historiker und Autor Yehuda Shenef ein Buch über die Geschichte des Jüdischen Friedhofs der Augsburger Stadtteile Pfersee und Kriegshaber sowie des Neusäßer Stadtteils Steppach vor – mitsamt dessen historischen Verknüpfungen nach Bayern, Deutschland und in Österreich. Das Werk des Geschäftsführers des Jüdisch-Historischen Vereins Augsburg (JHVA) ist nun in einer um 100 Seiten erweiterten (dritten) Neuauflage erschienen. Chronologisch ist es der zweite Band einer erhältlichen Buch-Triologie zu den drei historischen jüdischen Friedhöfen in Augsburg.
Engagement als Übersetzer
Yehuda Shenef arbeitete jüngst auch als Übersetzer an dem aktuell erschienenen Buch Charkow-Tagebuch: Flucht vor dem Krieg (Verlagshaus Jacoby & Stuart) der ukrainischen Kinderbuchautorin Olga Grebennik mit. Die in der Ukraine landesweit bekannte Autorin war Schülerin eines langjährigen Freundes Shenefs, Jakob Samoylovych. Die Beiden – der eine in Augsburg, der andere in Charkiw – übersetzten gemeinsam das Buch aus dem Russischen, das ein eindrückliches Zeitzeugnis des Überfalls Russlands auf die Ukraine darstellt.
400 Jahre jüdischer Friedhof: eine Portraitsammlung
Dieses Jahr nun legte Yehuda Shenef eine stark erweiterte dritte Auflage seines Werks Haus der drei Sterne. Der 400 Jahre alte jüdische Friedhof von Kriegshaber/Pfersee (Augsburg) vor. Der Band bietet eine sehr umfangreiche Portraitsammlung vieler am Friedhof bestatteter Personen aus vier Jahrhunderten, ein umfassendes Grabregister, viele Fotos und zuvor unveröffentlichte historische Details.
Der jüdische Friedhof an der heutigen Hooverstraße im Augsburger Norden hat eine sehr wechselvolle Geschichte, wie kaum ein anderer in Deutschland. Hier ruhen berühmte Gelehrte, Eisenbahnpioniere, Politiker und Bankiers, bis 1815 auch Hofagenten aus München, bis 1865 auch Augsburger. Gegründet wurde der Friedhof zur Beginn des 30-jährigen Krieges in der damals österreichischen Markgrafschaft Burgau – von den Juden aus Pfersee, Kriegshaber und Steppach; just am selben Tag, als gleich daneben ein Feuerball in der Umgebung einschlug.

– Inschrift und Übersetzung: –
פה טמונה ונוחה הנזכרת לברכה ידה היתה פתוח ללוחה וקבלה עניים בשביתה הצנועה הגבירה זיוף והדרה לבעלה היתה עטרת מ יוטלא בת מאיר אולמ’ אשת הה כהרר יעקב קיצינגן שטפך הלכה לעולמה ב ע שנה יו א כג אייר תטו לפק תנצבה
»Hier ruht und ist begraben in gesegnetem Gedenken deren Hände stets offen waren und zu ihrer Tafel Arme in ihrem Haus empfing, die bescheidene Dame, die der Fälschung auswich und ihrem Gatten die Krone war, Jutle, Tochter des Meir Ulmo (Pfersee), Frau des verehrten Rabbi Herrn Jakob Kitzingen Steppach, die zu ihrer Welt ging mit 70 J., Tag 1, 23 Ijar 415 nach kurzer Zählung. Ihre Seele ist eingebunden im Bund des Lebens.«
• Grabstein (Donaukalk, 109 x 60 x 17 cm) für Judit (Ulmo) Kitzingen, der Tochter des Pferseer Richters Meir Ulmo. Sie war die dritte Frau des älteren, aus Schrimm (poln. Śrem) bei Posen stammenden Jakob Kitzingen (1566-1643). Er gehörte zu den Anhängern des kabbalistischen Messias Schlomo Molcho (שלמה מולכו ,1500-1532).
Aus: Das Haus der drei Sterne, Yehuda Shenef
– Bild: (c) Jüdisch Historischer Verein Augsburg (JHVA) • Text: Yehuda Shenef
Hundert Jahre später eskalierte der Bau eines Hauses am Friedhof beinahe zum Krieg zwischen Österreich und der benachbarten Reichstadt. Ein weiteres Jahrhundert später übte das Militär des Königreichs Bayern neben dem Friedhof den Umgang mit Kanonenkugeln, wobei immer wieder Trauernde, Passanten und Gräber getroffen wurden. Die Nazis schändeten 1942 den Friedhof als Vergeltung für einen alliierten Bombenangriff auf die MAN-Werke am Vortag.
Als nach den Zweiten Weltkrieg um den Friedhof herum eine Wohnsiedlung für US-Soldaten entstand, bildete der Friedhof eine exterritoriale Enklave, für deren Erhalt sich General Eisenhower einsetzte, der bald darauf Präsident der USA wurde. Nun steht dem lange vernachlässigten Friedhof eine russische Zukunft, als letzte Ruhestätte aus der ehemaligen Sowjetunion zugewanderter Juden, bevor. Die um hundert Seiten erweiterte Neuauflage des Buches bietet eine Auswahl an Grabsteinen und Inschriften nebst dem (fast) vollständig rekonstruierten Grabregister. Mit Vorworten von Dr. Arthur Obermayer, Boston (Obermayer Foundation) und Botschafter Peter R. Rosenblatt, Washington DC.
Vier Portraits aus »Das Haus der drei Sterne«
Mit freundlicher Genehmigung durch den Autoren Yehuda Shenef
und des Jüdisch-Historischen Vereins Augsburg (Bildmaterial).

• ELCHANAN ULMO (1750 – 1807)
Elchanan Ulmo, auch bekannt als Henle Ulmann, wurde 1750 als Enkel von Tewle ben Mosche Ulmo (1699-1776) und Sohn von Efraim Ulmo und Brendel Erlanger (gest. 1779), der Tochter des Rabbiners Schmu’el Erlanger. Sein Vater war zeitweise Vorsitzender der altehrwürdigen jüdischen Gemeinde von Pfersee.
Da ihm selbst das Amt verwährt blieb, es wurde von seinem Cousin Ber Ulmo eingenommen, der es bis zu seinem Tod 1837 innehaben sollte, zog er von Pfersee nach Kriegshaber, wo er sodann Geschäftspartner seines Cousins Jakob Obermayer wurde, der als Hoflieferant in Napoleonischen Zeit den Umstieg ins Finanzgeschäft schaffte und als Banikier in Augsburg Fuß fasste. 803 zählten beide zu den jüdischen Finanziers die der klammen Reichsstadt Augsburg mittels umfassenden Krediten ein paar weitere Jahre der Unabhängig gegenüber Bayern ermöglichten (mehr dazu bei Jakob Obermayer).
– Bildmaterial: (c) Jüdisch Historischer Verein Augsburg (JHVA) • Text: Yehuda Shenef

• ISIDOR OBERMAYER (1783-1862)
Bankier, Eisenbahnpionier (besorgte für die erste bayerische Überlandbahn Augsburg-München aus England die Lokomotive und die Gleise), erwarb 1821 das Obermayer-Palais (heutiges Augsburger Standesamt Ecke Heilig Grab-Gasse/Maximilian-Straße).
– Bildmaterial: (c) Jüdisch Historischer Verein Augsburg (JHVA) • Text: Yehuda Shenef

• FERDINAND WERTHEIMER (1817 – 1883)
Chemiker, Abgeordneter des Oberösterreichischen Landtags, Agrar- und Eisenbahnpionier, Bauer, Viehzüchter, fortschrittlicher Gutsbesitzer, Theaterintendant und u.a. Ehrenbürger von Braunau am Inn, dem Geburtsort Adolf Hitlers. In der Kapelle von Wertheimers Gutshof in Ranshofen (heute Teil von Braunau) wurde Adolf Hitler auch getauft. (Bild um 1860).
– Bildmaterial: (c) Jüdisch Historischer Verein Augsburg (JHVA) • Text: Yehuda Shenef

• CARL VON OBERMAYER (1811-1889)
Sohn von Isidor Obermayer. Bankier, Kunstmäzen, Militärstratege, Stadt-Kommandant der Augsburger Landwehr beim Dom, Konsul der Vereinigten Staaten von Amerika (im damals noch unabhängigen Königreich Bayern) mit Sitz im Obermayer-Palais (heutiges Standesamt), persönlich ernannt von Präsident Polk im White House in Washington, Theaterfreund (neues Stadttheater), usw. in seinem Wiener Palais befindet sich heute die Botschaft der Islamischen Republik Iran in Österreich.
– Bildmaterial: (c) Jüdisch Historischer Verein Augsburg (JHVA) • Text: Yehuda Shenef
Yehuda Shenef: Das Haus der drei Sterne. Die Geschichte des jüdischen Friedhofs von Pfersee, Kriegshaber und Steppach bei Augsburg, in Österreich, Bayern und Deutschland.
Mit Grabregistern und zahlreichen Biographien und Abbildungen.
Band 2 von 3, erweiterte und verbesserte Neuauflage 2022.
Hardcover, 264 Seiten
Books on Demand, 2022
ISBN-13: 9783756243662
– Auch erhältlich als eBook, EPUB.
Hier auxlitera-Newsletter abonnieren:

Sie erhalten etwa je Woche 1 E-Mail mit einem Nachrichtenüberblick.
Sie können diese Benachrichtung jederzeit abbestellen.
Ihre E-Mail-Adresse wird nicht an Dritte weitergegeben oder für andere Zwecke verwendet. Unsere Datenschutz-Erklärung finden Sie hier.