Friedenskulturen, Krieg und Monarchie

Die Ergebnisse des an der Uni Augsburg angesiedelten Projekts ยปBasileus eirenophylaxยซ sind nun in einem Band im Franz Steiner Verlag erschienen. Das DFG-Projekt untersuchte von 2019 bis 2023 Friedenskultur(en) und monarchische Reprรคsentation in der hellenistischen Staatenwelt.

Das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefรถrderte Projekt Basileus eirenophylax โ€“ Friedenskultur(en) und monarchische Reprรคsentation in der hellenistischen Staatenwelt (2019-2023) ist abgeschlossen. Zentrale Ergebnisse wurden nun in der renommierten Reihe Studies in Ancient Monarchies im Franz Steiner Verlag (Stuttgart) verรถffentlicht. Basileus eirenophylax kommt aus dem Altgriechischen und bedeutet so viel wie ยปder Kรถnig als Friedenswรคchterยซ.

ยปZiel des Projekts war es, die in der aktuellen Forschung vorherrschende Annahme, die Kรถnige im Zeitalter des Hellenismus (323-30 v.Chr.) seien in erster Linie darauf bedacht gewesen, zur Herrschaftslegitimation ihre militรคrischen Fรคhigkeiten zu demonstrieren, einer kritischen Prรผfung zu unterziehenยซ, erklรคrt โ–บ Dr. Dr. Christopher Schliephake, wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl fรผr Alte Geschichte der Universitรคt Augsburg. Denn es bestehe Grund zu der Annahme, dass andere wichtige Aspekte der monarchischen Selbstdarstellung โ€“ etwa die Darstellung von Frieden, Reichtum und Wohlstand โ€“ ebenso eine zentrale Rolle spielten. Ausgangspunkt war die Frage nach der Rolle des Charismas in hellenistischen Monarchien, die Hans-Joachim Gehrke im Anschluss an Max Webers Konzept der charismatischen Herrschaft mit der Ausweitung auf den ยปsiegreichen Kรถnigยซ und dessen militรคrischen Erfolg herausgearbeitet hat.


Von links: Dr. Dr. Christopher Schliephake, Dr. Andreas Hartmann, Prof. Dr. Gregor Weber und Dr. Charalampos Chrysafis
Fotos: Universitรคt Augsburg

Zudem geht die Publikation auf die Vorstellung ein, dass militรคrischer Erfolg, die Bewahrung von Sicherheit und Frieden und der daraus resultierende Wohlstand im antiken Denken als eng miteinander verbunden angesehen wurden. Beantragt hatte das am Lehrstuhl fรผr Alte Geschichte angesiedelte Projekt โ–บ Prof. Dr. Gregor Weber; fรผr die ausgeschriebene Stelle eines wissenschaftlichen Mitarbeiters konnte โ–บ Dr. Charalampos Chrysafis aus Athen gewonnen werden: Neben der Erarbeitung einer Monographie organisierte Chrysafis zusammen mit โ–บ Dr. Andreas Hartmann, Dr. Christopher Schliephake und Prof. Dr. Gregor Weber auch eine internationale Tagung, die einen chronologischen Bogen vom Alten ร„gypten bis ins Frรผhe Mittelalter gespannt hat und Expertinnen und Experten fรผr die einzelnen Quellengattungen zu Wort kommen lieรŸ. Die Tagungsbeitrรคge sind kรผrzlich in der renommierten Reihe Studies in Ancient Monarchies im Franz Steiner Verlag (Stuttgart) erschienen.

Das Zusammenspiel von Krieg, Frieden und Monarchie

Antike Gesellschaften sahen Krieg und Frieden nicht unbedingt als Gegensรคtze an, sondern betrachteten den Krieg als Mittel zum Zweck. Es lรคsst sich zeigen, dass Kรถnige dafรผr gelobt wurden, sich vor รคuรŸeren Bedrohungen zu schรผtzen und wirtschaftliche Vorteile zu erzielen, statt ihr Territorium durch aggressive Kriege zu vergrรถรŸern. In der neuen Publikation wird anhand von Quellenbeispielen nachvollzogen, dass Frieden nicht nur als eine Folge des Sieges angesehen wurde, sondern seine eigenen positiven Eigenschaften hatte. Es wird auf die Idee si vis pacem para bellum โ€“ wรถrtlich รผbersetzt in etwa ยปWenn du Frieden willst, bereite den Krieg vorยซ โ€“ verwiesen, die den Glauben unterstreicht, dass ein Kรถnig, der die Schutzfunktion des Krieges nicht erfรผllte, delegitimiert werden konnte.

Insgesamt bietet das Projekt eine nuancierte Perspektive auf das komplexe Zusammenspiel von Krieg, Frieden und Monarchie in der hellenistischen Welt und stellt die vorherrschende Annahme einer rein militaristischen Grundlage fรผr monarchische Legitimitรคt in Frage.


Die militรคrische Sieghaftigkeit gilt in der gegenwรคrtigen Forschung als wichtiges Legitimationsmittel der antiken Monarchien. Zwar wird dabei oft eine notwendig bellizistische Ausrichtung monarchischen Handelns a priori gesetzt, doch ist der Aspekt der Sieghaftigkeit im Kontext monarchischer Selbstdarstellung entsprechend zu gewichten.

Der Band geht der zentralen Frage nach, ob Krieg vorrangig als Mittel zur Herstellung von Frieden oder als Weg zur Aneignung materieller Ressourcen konzeptualisiert wird. Fรผhrende internationale ExpertInnen zur antiken Monarchie betrachten dafรผr nicht die politische Praxis selbst, sondern deren Reprรคsentation und Reflexion in verschiedenen Medien und Texten. In den Blick genommen werden die monarchischen Traditionen des Vorderen Orients, das hellenistische Kรถnigtum, das rรถmische Kaisertum sowie die Transformation der Spรคtantike zum Mittelalter. Neben einem darstellenden sowie analytischen Teil enthalten die Beitrรคge eine Sammlung von zentralen Quellen, die fรผr die zukรผnftige Beschรคftigung mit dem Thema des Friedens in der Antike eine unerlรคssliche Grundlage bereitstellen wird. โ€“ Franz Steiner Verlag


Wohlstand, Reichtum und Sicherheit im Fokus

Ein wesentliches Ergebnis der Forschung: Die anfรคngliche Beobachtung, dass explizite Erwรคhnungen des Friedens in Verbindung mit den hellenistischen Kรถnigen eher selten seien, hat sich bestรคtigt. Dies bedeutet aber nicht, dass Frieden irrelevant gewesen wรคre. Vielmehr kann deutlich gemacht werden, dass die Beschreibungen der situationsbezogenen Zustรคnde, etwa von Wohlstand, Reichtum und Sicherheit, einen betrรคchtlichen Raum einnahmen und unter anderem auf Erwartungen der verschiedenen Gruppen von Untertanen reagierten.

Eine Herausforderung fรผr die Autorinnen und Autoren des Bandes bestand darin, neben einer Bibliographie einen kommentierten Quellenteil (mit deutschen oder englischen รœbersetzungen) vorzulegen. Auf diese Weise entstand eine Zusammenstellung der zentralen Text- und Bildzeugnisse zum Thema insgesamt, die fรผr weitere Forschungen in diesem Bereich einschlรคgig sein werden. Darรผber hinaus hat sich die Herangehensweise auch fรผr kรผnftige Projekte als wegweisend gezeigt.

Fortsetzung: Wie stand es um das Regionalbewusstsein der hellenistischen Kรถnige?

Das nรคchste Forschungsprojekt von Dr. Charalampos Chrysafis, der zuvor auch an den Universitรคten Halle-Wittenberg und Freiburg tรคtig war, hat bereits begonnen: In der DFG-gefรถrderten Forschungsarbeit mรถchte er untersuchen, inwiefern hellenistische Kรถnige einem pragmatischen Regionalismus verpflichtet waren und wie sich dieser in Selbstdarstellung, politischer Praxis und Wahrnehmung geรคuรŸert hat. ยปDazu werden 2024 nicht nur zwei internationale Workshops in Augsburg stattfinden, sondern wir werden im Sommersemester auch Dr. Eleni Fragaki aus Paris als Mercator-Fellow zu Gast haben. Sie wird das Projekt von Dr. Chrysafis um eine dezidiert archรคologische Komponente bereichernยซ, sagt Dr. Christopher Schliephake.


Charalampos I. Chrysafis, Andreas Hartmann, Christopher Schliephake und Gregor Weber (Hg.): Basileus Eirenophylax. Friedenskultur(en) und monarchische Reprรคsentation in der Antike.
Reihe ยปStudies in Ancient Monarchiesยซ
Mit 55 s/w-Abbildungen und 1 s/w-Tabelle
Gebunden, 550 Seiten
Franz Steiner Verlag; Stuttgart 2023.
Format: 17 x 24 cm
ISBN: 978-3-515-13477-4


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