Ein neuer Kulturreisefรผhrer zu Spuren Bischof Ulrichs fรผhrt in Kirchen und Kapellen, zur Schlacht auf dem Lechfeld โ und zu einer legendรคren ยปSchlachtยซ auf dem Fuรballfeld

Wรคre die Fritz-Walter-Elf im Endspiel der Fuรballweltmeisterschaft im Berner Wankdorf-Stadion beim sensationellen 3:2 gegen die als unbesiegbar geltende ungarische ยปWunderelfยซ Weltmeister geworden ohne den Beistand des heiligen Ulrich? Der neue Kulturreisefรผhrer Bischof Ulrich. Ein Heiliger aus Augsburg (context verlag Augsburg | Nรผrnberg) bezweifelt das. Dazu jedoch spรคter. Um was es freilich in dem 216-seitigen Taschenbuch รผberwiegend geht, verdeutlicht der Untertitel auf dem Cover: Bistumspatron, Brunnenheiliger und Retter Augsburgs im Jahr 955. Eine Spurensuche.
Ein Anlass fรผr die Arbeit an dieser Publikation, die zu Denkmรคlern St. Ulrichs und seiner Sippe, der Hupaldinger, in und bei Augsburg, im Donautal sowie in Stรคdte und Orte von Mittelfranken bis ins Oberallgรคu fรผhrt, ist zunรคchst einmal ein Jubilรคumsjahr. 2023 und 2024 erinnert das im Bistum Augsburg gefeierte Ulrichsjubilรคum an den 1050. Todestag des 993 heiliggesprochenen Ulrich sowie an 1100 Jahre seiner Bischofsweihe.
Die Ungarnschlacht und das Siegeskreuz
Denken halbwegs Geschichtsinteressierte an den Augsburger Bistumspatron, fรคllt ihnen aber wohl an erster Stelle die Schlacht auf dem Lechfeld ein. Im Jahr 955 hatte Bischof Ulrich, der vermutlich kampferprobte Sohn eines alamannischen Gaugrafen aus dem nahen Donautal bei Dillingen, die nur schwach befestigte Bischofsstadt Augsburg so lange gegen die รผberlegenen Reiterhorden der Ungarn verteidigt, bis ein Heer vereinter deutscher Stรคmme unter Kรถnig Otto I. die Magyaren vernichtend schlug. Dieses Ereignis verรคnderte den Lauf der Geschichte Bayerns, Deutschlands und weiter Teile Mitteleuropas. Wo genau die Schlacht auf dem Lechfeld stattgefunden hat, ist bis heute ungeklรคrt.
Klar ist dagegen: Nicht nur die Menschen im Lechtal waren dem Augsburger Bischof dankbar dafรผr, dass die jahrzehntelang wiederkehrende Plage der Raubzรผge der Ungarn mit diesem Gemetzel vorbei war. Die Dankbarkeit der leidgeprรผften Bayern und Schwaben zwischen der Frankenalb und dem Oberallgรคu schlug sich in Kirchen und Kapellen am Lech und an der Wertach, an der Donau und an der Iller in Dutzenden Kirchen und Kapellen โ vor allem in denen mit dem Patrozinium St. Ulrich โ nieder. Darstellungen des Bischofs hoch zu Ross im Kampfgetรผmmel oder mit dem legendรคren ยปCrux victorialisยซ, dem Siegeskreuz, das ihm der Legende nach ein Engel mitten auf dem Schlachtfeld รผberreichte, findet man in zahlreichen Sakralbauten โ vom Dom und der Basilika St. Ulrich und Afra in Augsburg bis in privat unterhaltene bรคuerliche Allgรคuer Feldkapellen.



Von links: Autor und Verleger Martin Kluger, Bischof Bertram Meier und Augsburgs Tourismus-Direktor Gรถtz Beck bei der Buchprรคsentation im Garten des Bischofshauses. Fotos: Martin Schmidt
Ein Heiliger mit Fisch, Pferd und Ratte
An die Schlacht auf dem Lechfeld erinnert eines der Attribute des Heiligen, das Pferd. Ein zweites tierisches Attribut St. Ulrichs ist die Ratte: Erde vom Grab des Augsburger Bischofs sollte gegen Mรคuse- und Rattenplagen helfen. Bekannt ist Bischof Ulrich aber vor allem als Heiliger mit dem Fisch: Die wohl erst spรคter entstandene Legende vom ยปFischwunderยซ basiert wohl auf einem kriegerischen Konflikt zwischen der Bischofsstadt Augsburg und dem Herzogtum Bayern.
Seinen Ursprung dรผrfte dieses Attribut des heiligen Ulrich allerdings im Wasserreichtum des Lechs und der Wertach haben: Die Bischofsstadt lag im Mรผndungsdreieck zwischen diesen beiden oft reiรenden Gebirgsflรผssen. Ulrich gilt wohl deshalb als Schutzpatron bei Wassergefahren. Weil er Furten durchritten haben soll, ohne dabei nass geworden zu sein, ist er auch ein Schutzpatron der Reisenden. Deshalb findet man Ulrichskirchen, Fresken und Skulpturen des Heiligen in vielen Stรคdten und Dรถrfern, denen Hochwasser drohte, und wo Furten oder gar Brรผcken durch und รผber Flรผsse fรผhrten.
Ulrichs Rolle als Brunnenheiliger hat dazu gefรผhrt, dass Ulrichsbrunnen in weiten Teilen Sรผddeutschland, รsterreichs, in der Schweiz und im Elsass zu finden sind: Dem Wasser der groรteils bestehenden Ulrichsbrunnen wurde heilende Wirkung bei Augenleiden zugesprochen. Dass St. Ulrich ganz nebenher auch noch um gutes Wetter angerufen wurde, hat dazu gefรผhrt, dass man seine Darstellungen kaum irgendwo noch dichter entdecken kann als im Allgรคu. Fรผr die hochalpine Alpwirtschaft hatte der Ulrichstag gar eine wesentliche Bedeutung, die noch heute in Dutzenden Wegkapellen und in einigen religiรถsen Brรคuchen, wie etwa einer รlpler-Messe in Bad Hindelang, spรผrbar wird.
Hunderte Denkmรคler der Ulrichsverehrung
Mehr als 80 Kapitel des Kulturreisefรผhrers leiten zu hunderten Baudenkmรคlern, Fresken und Gemรคlden, Reliefs, Skulpturen, Glasmalereien und Ulrichsbrunnen, welche die Ulrichsverehrung im Bistum Augsburg sowie in den Bistรผmern Eichstรคtt, Mรผnchen-Freising und Rottenburg versinnbildlichen. Thematisch fรผhrt dieses reich bebilderte Taschenbuch รผber Religion und Regionalgeschichte, Kunst und Baukunst hinaus auch zu weniger erwartbaren Kapiteln: Etwa zu Hinweisen darauf, dass die Schlacht auf dem Lechfeld von 955 und die Tausend-Jahr-Feier dieses Ereignisses im Jahr 1955 selbst in der Diskussion um die Grรผndung der Bundeswehr eine Rolle spielte. In Kleinaitingen nahe Augsburg erinnert sogar eine Ulrichs-Kaserne an die Lechfeldschlacht gegen die Ungarn.
Ein Fuรballwunder โ an einem Ulrichstag
Der Kulturreisefรผhrer geht in seinem abschlieรenden Kapitel thematisch sogar noch ein wenig weiter โfremdโ. Die aufmerksame Verlagslektorin Candida Sisto hatte bemerkt, dass auch das von Regenwasser begรผnstigte ยปWunder von Bernยซ irgendwie mit St. Ulrich zu tun hat. Denn der 3:2-Sieg der deutschen Fuรballnationalmannschaft gegen die ungarische ยปGoldene Elfยซ โ der zuvor jahrelang ungeschlagene Favorit โ fand am 4. Juli 1954 statt. Es war ein Wunder โ an einem Ulrichstag. Und das fast exakt tausend Jahre nach der Schlacht auf dem Lechfeld. ~ [pm/auxlit]
Martin Kluger: Bischof Ulrich. Ein Heiliger aus Augsburg.
Taschenbuch, 216 Seiten, 258 Abbildungen
context verlag Augsburg | Nรผrnberg 2023
Format: ca. 12 x 21 cm
ISBN: 978-3-946917-42-7
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