Lederhosen am Limes

Der Kulturreisefรผhrer ยปDie Rรถmer zwischen Alpenrand und Limeslandยซ beschreibt antike Sehenswรผrdigkeiten um die Rรถmerstรคdte Kempten und Augsburg. Die Reise geht vom Auerberg bis nach WeiรŸenburg, von Gรผnzburg bis nach Epfach, vom Ries bis ins Oberallgรคu.

Die Rรถmer sind fรผr รœberraschungen gut. Noch immer: Dass die Keimzelle des Kulturlandes Bayern im Westen der rรถmischen Provinz Raetien um die frรผhen Rรถmerstรคdte Kempten und Augsburg lag, haben erst in jรผngster Zeit wieder Grabungsfunde untermauert. Der grรถรŸte je in Bayern ergrabene Silberschatz โ€“ entdeckt am Ufer der Wertach โ€“ belegt, dass auf Augsburger Stadtgebiet der erste stรคndige Stรผtzpunkt des Rรถmischen Weltreichs im heutigen Bayern lag. Und jรผngst ergrabene Mauerreste in Kempten bezeugen, dass die Anfรคnge der Stadtkultur im heutigen Bayern โ€“ so Dr. Maike Sieler vom Rรถmerpark Cambodunum (Kempten) โ€“ auf einer Anhรถhe รผber der Iller zu finden sind.

Erst Cambodunum, dann wenige Jahrzehnte spรคter und bis ins fรผnfte Jahrhundert Augusta Vindelicum, waren die blรผhenden rรถmischen Provinzhauptstรคdte der ab 15 v. Chr. eroberten Provinz Raetien. Rรถmerstรคdte wie Regensburg oder Passau entstanden erst zwei Jahrhunderte spรคter. Kulturell wie wirtschaftlich aber blieben Kempten und Augsburg fast fรผnf Jahrhunderte lang die Zentren dieser rรถmischen Provinz โ€“ mit sichtbaren Folgen. Denn wer heute nach den Spuren der rรถmischen Epoche im ehemaligen Westraetien sucht, stรถรŸt zwischen den nรถrdlichen Auslรคufern der Alpen und der Schwรคbischen sowie der Frรคnkischen Alb auf รผberraschend viel Rรถmisches โ€“ oft jeweils nur wenige Kilometer voneinander entfernt. Bei der Spurensuche nach diesen Wurzeln des Kulturlandes Bayern leitet jetzt der neue Kulturreisefรผhrer Die Rรถmer zwischen Alpenrand und Limesland (context verlag Augsburg | Nรผrnberg) zu rund hundert Stationen โ€“ vom Auerberg bis nach WeiรŸenburg, von Gรผnzburg bis nach Epfach, vom Ries bis ins Oberallgรคu.

Mehr als 70 rรถmische Orte im Blick

Der neue Kulturreisefรผhrer zeigt, wie รผberraschend dicht an dicht diese Rรถmerfunde, Gedenkstรคtten und Rรถmermuseen im Norden und Westen der einstigen Provinz Raetien liegen. In 16 Kapitel aufgeteilt, beschreibt das Taschenbuch mehr als 70 ยปrรถmischeยซ Orte vor allem im bayerischen Schwaben und in Mittelfranken, aber auch in Oberbayern und in der Oberpfalz. Besonders geballt liegen die archรคologischen Fundorte naturgemรครŸ um die beiden Rรถmerstรคdte Kempten und Augsburg, entlang der rรถmischen Heer- und HandelsstraรŸe Via Claudia sowie am Limes und im Donautal. Dort entstand der Donaulimes, der ausgebaut wurde, als die Donau nach der Aufgabe des nรถrdlich gelegenen Land-Limes zum zweiten Mal zur Reichsgrenze wurde. Der gesamte Limes ist lรคngst UNESCO-Welterbe und mit 550 Kilometern Lรคnge das lรคngste Bodendenkmal Europas.

Der Kulturreisefรผhrer Die Rรถmer zwischen Alpenrand und Limesland reiht die Orte nach Regionen geordnet aneinander, sodass die Rรถmerstรคtten und Museen mit rรถmischen Funden zu ยปer-fahrbarenยซ Routen zusammengestellt sind. Das ermรถglicht es, bis zu einem Dutzend Orte oder Museen (zumindest per Pkw) im Rahmen einer Tagestour zu besichtigen. Doch der neue Reisefรผhrer reiht nicht bloรŸ Ort an Ort, sondern versucht zudem, die Entstehung, die Ausweitung und den Niedergang der Provinz nachvollziehbar werden zu lassen. Als etwa der Limes um 100 n. Chr. nordwรคrts verlagert wurde, siedelten rรถmische Bauern im Ries. Doch in dieser fruchtbaren Kornkammer der Provinz, in einem Limeskastell bei Pfรผnz im Altmรผhltal oder auch vor den Mauern von Castra Regina, dem rรถmischen Regensburg, spielten sich grausige Dramen ab โ€“ zumal, als die Rรถmer unter dem Druck germanischer Stรคmme den Limes aufgaben.

Alltag und religiรถse Toleranz

Die Fundstรคtten bezeugen aber weit mehr als ยปnurยซ kriegerische Ereignisse: Der Kulturreisefรผhrer beleuchtet vielfach den Alltag der Bewohner der Provinz. Grabungsfunde verraten hier einiges รผber ein antikes Tรถpferzentrum, รผber die durchaus anspruchsvolle Trinkwasserversorgung der Rรถmer und natรผrlich รผber ihre Badekultur โ€“ ein Luxus, der ganze Wรคlder ยปverschlangยซ. Der Gallo-rรถmische Tempelbezirk im Rรถmerpark Cambodunum in Kempten zeigt die religiรถse Toleranz der Rรถmer, die fremde Gรถtter in ihren eigenen Gรถtterhimmel aufnahmen, was die Assimilation eroberter Vรถlker massiv erleichterte.

Die ersten Spuren des Christentums in Bayern fand man dagegen in Augsburg. Dort zeigt ein Exponat im Rรถmerlager im Zeughaus auch die Bedeutung der Flussschifffahrt auf dem Lech. Und natรผrlich geht es um Meilensteine und RรถmerstraรŸen, deren Bedeutung bis in die Gegenwart jรผngst eine Studie der Universitรคt Kopenhagen unterstrichen hat. Dass die Rรถmer extra muros, also auรŸerhalb der Stรคdte und Siedlungen, bestatteten, erfรคhrt man zum Beispiel im Limeseum in Ruffenhofen, das sich wie das RรถmerMuseum in WeiรŸenburg dem Leben der Menschen am Limes widmet.

Die meisten ยปRรถmerยซ am Limes waren keine

Auch wenn sich in einem Limeskastell bei Burgsalach Hinweise auf eine aus Afrika an den Limes strafversetzte Truppe finden: Die meisten Soldaten am Grenzwall waren noch nicht einmal ยปrichtigeยซ Rรถmer, sondern junge Mรคnner, die im Hinterland des Limes fรผr den Dienst in den Kastellen angeheuert wurden. Sie lockte der Sold und das rรถmische Bรผrgerrecht. Da es am Limes schon mal recht kalt werden konnte, รผbernahmen die aus dem Sรผden stammenden Grenzsoldaten die Kleidungssitten der keltischen Stรคmme: Auch sie trugen bald Lederhosen und in harten Wintern wรคrmende Unterhosen und Strรผmpfe. Optisch hatten die Grenzsoldaten mit den Rรถmern aus den ยปSandalenfilmenยซ wohl recht wenig gemein.

Der Kulturreisefรผhrer Die Rรถmer zwischen Alpenrand und Limesland wartet auch mit Informationen zu den Anfรคngen der rรถmisch-bayerischen Erinnerungskultur auf. Die begann in Augsburg, wo Humanisten wie Markus Welser antike Inschriften publizierten und reiche Patrizier wie die Fugger ihre Stadtpalรคste mit rรถmischen Cรคsarenbรผsten zierten, und wo man im Renaissance-Rathaus rรถmische Kaiser und Feldherren als Bronzebรผsten, in Fresken und auf ร–lgemรคlden sieht. Zum Augsburger UNESCO-Welterbe gehรถren die drei Monumentalbrunnen, deren Pfeiler Bronzefiguren des Gottkaisers Augustus, des Gottes Merkur und des Halbgottes Herkules krรถnen. Der bayerische Kรถnig Maximilian II. Joseph von Bayern lieรŸ um 1860 sogenannte Max-II.-Steine aufstellen, die den Verlauf der ยปTeufelsmauerยซ, also der steinernen Wallreste des Limes, nachvollziehbar machten.

Erinnerungskultur mittels zahlreicher Museen

Die Erinnerungskultur, die heute den Rรถmern in Bayern gewidmet ist, ist freilich um einiges beeindruckender. Museen wie der Rรถmerpark Cambodunum, das Limeseum in Ruffenhofen, das RรถmerMuseum in WeiรŸenburg und nicht zuletzt die aufwendig prรคsentierten und professionell vermarkteten Rรถmerfunde in Regensburg und im Kelten Rรถmer Museum Manching vermitteln jeweils vor Ort ein umfassendes Bild der rรถmischen Epoche. Der Museumsbesuch ist aber lรคngst โ€“ bayernweit โ€“ auch digital mรถglich: Das von der Bayerischen Staatsยญbiblioยญthek in Mรผnchen betreute Internetportal โ–บ www.bavarikon.de stellt Obยญjekte der Archรคologischen Staatsยญsammยญlung sowie herausragende Objekte der Sammยญlungen anderer bayerischer Kultureinrichtungen als 3-D-Digitalisate vor.

Jรผngster Zufallsfund: Relikte einer
rรถmischen Baukonstruktion im Lech

Dass aber auch kรผnftig noch so manches rรถmische Relikt und damit noch so manche neue Erkenntnis zutage kommen wird, zeigt ein jรผngst gemachter Zufallsfund auf einer Kiesbank im Lech nรถrdlich von Augsburg. Dort entdeckte Hermann Rosenwirth โ€“ Mitglied eines ehrenamtlichen Arbeitskreises fรผr Vor- und Frรผhgeschichte um die frรผhere Kreisheimatpflegerin Gisela Mahnkopf โ€“ rรถmische Pfahlschuhe. Die tรผtenfรถrmigen Metallgebilde sind die Relikte einer bislang nicht lokalisierten Brรผcke oder einer Anlegestelle am Fluss. Weil aber der Lech bis in die Zeit vor dem Bau der das Geschiebe hemmenden Wasserkraftwerke ein weit transportierender Gebirgsfluss war, kรถnnte dieses rรถmische Bauwerk bei Augsburg, aber ebensogut sonst irgendwo im Alpenvorland sรผdlich von Augusta Vindelicum errichtet worden sein. Die Rรถmer in Raetien werden also weiterhin Rรคtsel aufgeben.

Was aber bislang geklรคrt und auch zu sehen ist, vermittelt jetzt das Taschenbuch Die Rรถmer zwischen Alpenrand und Limesland auf 268 Seiten und mit insgesamt 352 Abbildungen. Das unter anderem auch mit einen zehnseitigen Kapitel, in dem sich das Museumsnetzwerk Antike in Bayern, ein Verbund von acht bayerischen Rรถmermuseen โ€“ vom Pompejanum Aschaffenburg รผber die Glyptothek in Mรผnchen bis zum Kelten Rรถmer Museum in Manching โ€“ prรคsentiert. Auch Markus Blume, Bayerischer Staatsminister fรผr Wissenschaft und Kunst, weist im Nachwort darauf hin, wie sehr die Spuren des Rรถmischen Reiches noch heute prรคsent sind: ยปTopographisch umfassen die Zeugnisse der rรถmischen Epoche knapp ein Drittel des bayerischen Staatsgebietes.ยซ ~ [pm/auxlit]


Martin Kluger: Die Rรถmer zwischen Alpenrand und Limesland.
Taschenbuch, 268 Seiten, 352 Abbildungen
context verlag Augsburg | Nรผrnberg 2023
Autor: Martin Kluger
Format: ca. 12 x 21 cm
ISBN: 978-3-946917-43-4


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