Rückkehr nach fast 500 Jahren – frühneuzeitlicher hebräischer Druck wieder in Augsburg. Das Buch soll ein wesentlicher Teil der neuen Dauerausstellung des Jüdischen Museums Augsburg Schwaben werden.
Nach über 480 Jahren ist ein Druck des frühneuzeitlichen hebräischen und jiddischen Buchdruckers Chaim ben David Schwarz nach Augsburg zurückgekehrt. Das Jüdische Museum Augsburg Schwaben (JMAS) konnte das Buch dank einer großzügigen privaten Spende zum Jahresende 2022 erwerben. Museumsdirektorin Carmen Reichert hat es nun in Israel abgeholt und nach Augsburg gebracht.
Eigentlich gab es zwischen der Vertreibung der Juden 1438 und dem Beginn der
Wiederansiedlung ab 1803 kein jüdisches Leben in Augsburg – Jüdinnen und Juden
war über Jahrhunderte die Niederlassung in der Stadt verboten.
In Augsburg verfügbare hebräische Drucklettern
»Dass es Chaim Schwarz gelungen ist, sich zumindest für einige Zeit in Augsburg aufzuhalten und einige der wichtigsten frühneuzeitlichen hebräischen und jiddischen Drucke in unserer Stadt zu drucken, ist fast ein Wunder«, erklärt Reichert. »Ein Wunder, dass sich jedoch mit der Geschichte Augsburgs als Reformationsstadt erklären lässt: Während der Reformation kehrte man zu den biblischen Texten in den Originalsprachen, also Hebräisch und Griechisch zurück. Daher brauchte man hebräische Drucklettern und einen Drucker, der damit umgehen konnte.«
Fotos: Ilya Kotov/JMAS
Augsburg: Entstehungsort einiger der wichtigsten hebräischen und jiddischen Buchdrucke
Chaim Schwarz stammte aus Prag, einem damaligen Zentrum hebräischeBuchdrucks, und kam über Breslau nach Augsburg. Er muss um 1533 in Augsburg angekommen sein und hielt sich etwa bis 1544 hier auf, bevor er nach Ichenhausen in Schwaben weiterzog. In Augsburg entstanden einige der wichtigsten hebräischen und jiddischen Buchdrucke der Zeit: unter anderem die Sammlungen Melokhim-Buch und Shmuel-Buch, das sind zwei der ältesten gedruckten jiddischen Erzählungen, außerdem hebräische Gebetbücher – und der Arba‘a Turim des Jakob ben Asher, der nun nach Augsburg zurückgekehrt ist.
Arba’a turim heißt wörtlich »vier Säulen« und kommentiert vier Themengebiete, die für die in der Diaspora, d.h. auf der ganzen Welt verstreuten jüdischen Gemeinden von großer Relevanz waren: jüdische Feiertage und Gebete, die jüdischen Speisegesetze, jüdisches Eherecht und jüdisches Zivil- und Kriminalrecht. Abgesehen von dem religiösen Meilenstein, den das Buch bedeutet – es war eine wichtige Grundlage der später entstandenen und bis heute maßgeblichen Gesetzessammlung Schulchan aruch – ist es auch ein großartiges Dokument Augsburger Geschichte: Aus Chaim Schwarz Druckpresse stammen die ersten im heutigen Deutschland bekannten hebräischen Drucke.
Konrad Peutinger war es, der den Reformator Bonifatius Wolfart, der als vermutlich einziger Augsburger des Hebräischen kundig war, mit der Prüfung der Drucke beauftragte. Wolfart und Schwarz scheinen ein freundschaftliches Verhältnis gepflegt zu haben, allen Vorbehalten Juden gegenüber in dieser Zeit zu Trotz.
Das Buch soll ein wesentlicher Teil der neuen Dauerausstellung des Jüdischen Museums Augsburg Schwaben werden. Diese wird in einigen Jahren, nach dem Abschluss der der Sanierungsarbeiten an der Synagoge Augsburg, im Gebäude eröffnet werden.
Hier auxlitera-Newsletter abonnieren:
Sie erhalten etwa je Woche 1 E-Mail mit einem Nachrichtenüberblick.
Sie können diese Benachrichtung jederzeit abbestellen.
Ihre E-Mail-Adresse wird nicht an Dritte weitergegeben oder für andere Zwecke verwendet. Unsere Datenschutz-Erklärung finden Sie ► hier.