Neues vom »Österreichischen Bibelübersetzer«: eine erste Online-Veröffentlichung, eine Preisverleihung und eine internationale Tagung. Es hat sich viel getan beim Augsburger Kooperationsprojekt »Gottes Wort Deutsch«.
Anfang Dezember 2022 ging nach aufwändiger Vorarbeit die Edition des Evangelienwerks des »Österreichischen Bibelübersetzers« mit einem ersten Schritt online. Ebenfalls Anfang Dezember wurde Dr. Angila Vetter, Mediävistin und wissenschaftliche Koordinatorin der Augsburger Arbeitsstelle des Projekts »Gottes Wort Deutsch«, mit dem Akademiepreis der Karl Thiemig-Stiftung ausgezeichnet. Und schon im Oktober hatte in Wien eine Tagung statt gefunden, auf der das Werk des »Österreichischen Bibelübersetzers« auch im größeren, europäischen Gesamtzusammenhang interpretiert werden konnte.
Das interakademische Forschungsprojekt »Gottes Wort Deutsch« der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften an der Universität Augsburg beschäftigt sich mit dem Werk des sogenannten »Österreichischen Bibelübersetzers«. Bereits rund 200 Jahre vor Martin Luther übersetzte dieser bis heute anonym gebliebene Autor österreichischer Herkunft große Teile der lateinischen Vulgata und anderer Quellen ins Deutsche, kommentierte diese und legte sie aus.
Der kompetente Übersetzer war weder Geistlicher noch hatte er universitäre Bildung
Das Bemerkenswerte am Werk des »Österreichischen Bibelübersetzers« ist, dass er nicht nur der lateinischen Sprache mächtig war, sondern dass er es darüber hinaus auch verstand die kanonischen Texte in ein gleichermaßen anspruchsvolles, wie gut verständliches Deutsch zu übertragen. Dies gelang ihm, obwohl er seiner Selbstbeschreibung nach weder eine universitäre Bildung genossen hatte, noch ein Geistlicher war und somit eigentlich gar nicht berechtigt gewesen wäre, das Wort Gottes zu übersetzen oder gar auszulegen.
Zum bis heute bekannten Werk des »Österreichischen Bibelübersetzers« gehören umfangreiche Übersetzungen und Kommentierungen verschiedener Bücher des Alten Testaments (das schmal überlieferte Alttestamentliche Werk), eine Evangelienharmonie, die die Forschung als »Evangelienwerk« bezeichnet (mit 30 Textzeugen breit überliefert), sowie ein »Psalmenkommentar« (mit 72 Textzeugen ein mittelalterlicher »Bestseller«). Hinzu treten weitere kleine Schriften und Traktate. Das Gesamtwerk nimmt hinsichtlich des Umfangs der übersetzten biblischen Bücher, der Übersetzungsleistung und der Verteidigung der Bibel in Laienhand eine bedeutende Stellung in der Tradition deutschsprachiger Bibelübersetzungen ein.
Auf dem Weg zur Gesamtedition: Transkriptionen online
Das seit 2016 laufende Akademieprojekt Gottes Wort Deutsch, dessen mehrköpfige Arbeitsgruppe in Bayern an der Universität Augsburg angesiedelt ist, hat es sich zum Ziel gemacht, bis 2027 eine gedruckte und eine digitale Edition der Werke des »Österreichischen Bibelübersetzers« zu erarbeiten und diese so auch einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Ein wichtiger Zwischenschritt auf dem Weg zu diesem Ziel konnte am 6. Dezember 2022 erreicht werden, denn seither können online unter ► bibeluebersetzer-digital.de alle Digitalisate und Transkriptionen der Handschriften des Evangelienwerks (im Rahmen der urheberrechtlichen Möglichkeiten) in einer Beta-Version in Augenschein genommen werden. Auf dieser Vorstufe zur kritischen Edition erhalten nun erstmals alle Interessierten Zugriff auf die betreffenden, mitunter prächtig illustrierten und prunkvoll gestalteten Handschriften sowie deren Umschriften.
Verleihung des Akademiepreis
Auch über eine Auszeichnung konnte sich das Projekt kürzlich freuen. Während der diesjährigen feierlichen Jahressitzung der Bayerischen Akademie der Wissenschaften am 3. Dezember 2022 wurde der wissenschaftliche Koordinatorin der Arbeitsgruppe Augsburg Dr. Angila Vetter für ihre »herausragenden Leistungen« im Rahmen des Projekts der Förderpreis der Karl Thiemig-Stiftung verliehen. In der Laudatio wurde darüber hinaus auch ihre philologische Arbeit gewürdigt, die »neue methodologische Fragen im Zusammenhang mit der Problematik mittelalterlicher Sammelhandschriften aufgeworfen hat«. Ebenso anerkannt wurden ihre Verdienste »in der Projektarbeit in den Bereichen Arbeitsstrategien und Methoden, Digitalisierung und Interdisziplinarität, Internationalisierung, Öffentlichkeitsarbeit, Wissenstransfer und Nachwuchsförderung«.
Internationale Tagung in Wien
Ende Oktober veranstaltete das Projekt zum »Österreichischen Bibelübersetzer« federführend gemeinsam mit Partnern an der österreichischen Akademie der Wissenschaften, dem Institut für Germanistik der Universität Wien, der Bibliothek des Augustinerchorherrenstiftes Klosterneuburg und der Katholieke Universiteit Leuven eine Tagung in Wien und Klosterneuburg mit dem Titel: Vernacular Bibles in Late Medieval Europe. Translating, Transmitting, Commenting.
Im Zentrum standen neben dem »Österreichischen Bibelübersetzer« englische und tschechische Bibelversionen, die Situation in Frankreich und Polen aber auch jiddische Übertragungen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen neben Augsburg, Berlin, München, Eichstätt, Trier, Wien und Salzburg aus Haifa, Poirtiers, Prag, Oxford, Gent, Leuven und Wroclaw. Eine Fortführung der Zusammenarbeit im europäischen Rahmen und eine Tagungsserie ab 2024 wurden vereinbart.
~ pm / auxlit
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